Im Blickpunkt

Corona-Krise als Chance für einen agilen Wandel


Die Corona-Krise hat weite Teile der Wirtschaft getroffen, viele davon sogar existenzbedrohend hart. Besonders bei uns in Bremen, wo laut der Bundesagentur für Arbeit bis Ende April bereits für mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer*innen Kurzarbeit angemeldet wurde, ist die Situation sehr schwierig. Das Problem ist: Die Situation ist so, wie sie ist, und ein Blick in andere Länder zeigt, dass es noch deutlich schlimmer hätte sein können.

Wie also umgehen mit der Situation? Es wird wohl zu großen Veränderungen kommen, wie wir in Zukunft arbeiten. Zahlreiche Unternehmen waren vor der Krise überzeugt, dass die Produktivität im Home-Office leiden wird. Nun stellen sie fest, dass dies eben nicht der Fall ist und viele Mitarbeiter*innen zu Hause genauso produktiv sind, wie im Büro. Auch die vielen Diskussionen über Tools wie Microsoft Teams und Zoom (Stichwort: Datenschutz) zeigen, dass diese Kommunikations-Mittel Einzug in den Arbeitsalltag erhalten und einen weiteren Teil zur Veränderung der Arbeitsweisen leisten können.

Es ist zu lesen, dass die lange verschlafene Digitalisierung durch Corona einen großen Sprung macht. Doch nicht nur die Digitalisierung kann eine wichtige Chance sein, die Arbeitswelt für die vielfach besungene „neue Normalität“ fit zu machen. Denn im Windschatten der Digitalisierung gibt es eine weitere Chance, die in vielen Unternehmen zwar bereits angedacht wurde, aber bei der es oft an der Umsetzung scheiterte. Unternehmen sollten die aktuelle Situation nutzen, um zu prüfen inwieweit auch das Umsteigen auf agile Prozesse sinnvoll ist.

Meiner eigenen Erfahrung nach scheiterten in der Vergangenheit die Transformationsprozesse an den informellen Strukturen, die in den Unternehmen vorherrschen ebenso wie am Mindset der Beteiligten. Trotz anderslautender Vorgaben wurden Arbeitsaufträge doch oft noch „über den Tisch“ gerufen. Ist ja auch schön unkompliziert und geht, für einen persönlich, vielleicht auch schneller. Diese informellen Kommunikationswege fallen durch Home-Office nun oft weg. Auch Meetings scheinen sich in der aktuellen Zeit immer mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren. Klar, zum Abschweifen ist auch weniger Zeit, wenn die Kita geschlossen hat und neben der Vollzeitstelle auch noch die Kinder betreut und der Haushalt geführt werden müssen.

Die Organisation des Workloads in Arbeitspakete, wie es im agilen Projektmanagment erforderlich ist, macht es viel leichter, auf Unvorhersehbares zu reagieren. Egal, ob es neue Anforderungen der Stakeholder*innen sind oder es der Paketbote ist, der einen aus der Konzentration reißt.

Nun sind sind die Führungskräfte gefragt. Überzeugen sie die Mitarbeiter*innen und die Geschäftsführung davon, dass die Arbeit durch die Nutzung von agilen Strukturen und Abläufen effizienter gestaltet werden kann, dann gibt es eine echte Chance, gestärkt aus der Krise zu gehen.

Dass dies alles nicht von heute auf morgen umzusetzen ist und dass es nicht universell anwendbar ist, liegt auf der Hand. Auch, dass es dennoch eine große Herausforderung ist. Aber das ist diese Krise sowieso. Und es geht sich leichter durch den Nebel der Ungewissheit, wenn man eine Taschenlampe dabei hat, die den Blick auf die kommenden nächsten Schritte ermöglicht.

Michael Bier